Behnushs Kamera

Die Moment-Maschine

Eine Zeitmaschine hätten wir gerne. Eine, die mit uns in die Vergangenheit oder die Zukunft reist. Oder wenigstens eine, die den Zeitlauf beschleunigen kann, wenn wir irgendwo im Wartezimmer sitzen, oder anhalten, wenn das Leben gerade mal schön ist.

Ausschnitte aus dem Interview mit Behnush (Peertube-Link; Untertitel verfügbar)

Ist eine Kamera so eine Zeitmaschine? Oder bleibt das Festhalten von Augenblicken für immer eine Illusion? Behnush jedenfalls hat immer gerne fotografiert, sie hatte schon als Jugendliche ein Faible für künstlerische Fotografien. Beruflich hat sie dann etwas anderes gemacht, etwas eher Nüchternes mit Wirtschaft und Handel. Mit ihrer ersten Schwangerschaft kehrte die Lust am Einfangen von Augenblicken zurück. Vielleicht, weil sie schon ahnte, dass Kinder sich so wahnsinnig schnell verändern. Und dass auch die Zeit, in der Kinder klein sind, so wahnsinnig schnell vorbeigeht und mit ihr die schönen Momente unwiederbringlich davonziehen.

Behnush fing an, sich mit technischen und handwerklichen Fragen rund um das Fotografieren zu beschäftigen, alles nicht sehr streng und formell, sondern eher locker, über YouTube und andere Quellen aus dem Netz. Auf die Weise hat sie sich etwas Unbefangenes bewahrt, etwas Leichtes, Kreatives. Sie ist nicht belastet von professionellen Ansprüchen, von den Erinnerungen an Prüfungen und Zeugnisse. Sie macht das, was sie tut, gerne und mit einer Art zwangloser Hingabe.

Im Fokus: Menschen und Speisen

Anspruchsvoll ist das ja schon: Bei Hochzeits- und Familien-Shootings geht es darum, dass Menschen einen wichtigen Moment in ihrem Leben festhalten wollen. Und dabei sind sie oft verkrampft. Sie sind eben keine Models, sondern Menschen, und haben oft unklare oder klischeebehaftete Vorstellungen, wie sie sich vor der Kamera bewegen sollen. Behnush versucht zu erkennen, was zu den Menschen passt. Das ist weniger eine Frage von Kameratechnik als von Einfühlung. Sie versteht es, Menschen dahin zu bringen, dass sie in der Sekunde, in der sie auf den Auslöser drückt, ganz bei sich sind und doch ausdrucksstark wirken. Der charmante und doch innige Blick. Die zarte Geste, die schnell vergessen wäre, wenn die Kamera sie nicht festhalten würde. Der fröhliche Kinderkuss. Behnushs Kamera fängt sie ein, diese Momente, die so flüchtig sind wie Seifenblasen. Diese Kamera ist ihre Momentmaschine, ihr FABELHAFTES DING.

Bei ihrer zweiten Schwangerschaft, im Sommer 2020, war Behnush bereits Fotografin. Landschaften und Gebäude lichtet sie eher selten ab, lieber bringt sie Menschen und Speisen vor die Kamera. Ja, auch bei der Food-Fotografie kommt etwas Flüchtiges vor die Linse. Etwas, das eben noch glänzte und dampfte, ist im nächsten Moment verblasst und eingefallen. Es muss prickeln und vital wirken, aber die Zeit (und hungrige Zeitgenossen) bedrohen das raffinierte Arrangement.

Farbe gegen Rassismus

Wenn Behnush ein Hochzeitspaar oder ein Spitzenmenü fotografiert, spielt ihre Herkunft keine Rolle. Sie kam als kleines Kind aus dem Iran nach Deutschland, ist hier aufgewachsen, wie so viele mit Wurzeln in einem anderen Land und einem Gespür für Ausgrenzung. Sie selbst, sagt sie, hat nie schlimme Erlebnisse mit rassistischer Verletzung gemacht, aber die subtile Zurücksetzung, die kaum wahrnehmbare und oft nicht einmal böse gemeinte Kategorisierung – das kennt sie gut. Und im Sommer 2020, als weltweit über den Tod des Schwarzen George Floyd gesprochen wurde, schob sich dieses Hintergrundgefühl in den Vordergrund. Der Wut über die Brutalität der Polizei und den erstarkenden Rassismus stand das Aufblühen der Black-Lives-Matter-Bewegung entgegen. Und diese Situation setzte bei Benush etwas in Bewegung. Sie wollte ihre Fähigkeit zur visuellen Gestaltung für ein politisches Statement nutzen. So entstand das Projekt »Farbe gegen braun«.

Die Idee dabei: Menschen werden in einem Schwarz-weiß-Bild porträtiert und setzen dazu selbst einen Farbakzent, indem sie sich im Gesicht, an der Hand oder am Arm mit Fingerfarbe bemalen. Aus dem monochromen Bild springt nur diese Farbe heraus, dieses Zeichen gegen den rassistischen Hass, der sich in der Gesellschaft ausgebreitet hat. Für das Projekt tat sich Behnush mit der Stiftung gegen Rassismus zusammen, deren Arbeit zugleich mit den eingehenden Spenden unterstützt wurde.

Ein Schritt in die Öffentlichkeit

Das Konzept der Fotoaktion ist so einfach wie genial, denn es gibt dem politischen Statement ein einleuchtend buntes Gepräge, hat sowohl eine elementar-körperliche wie auch verspielt-kreative Komponente. Die Videoclips, auf denen zu sehen ist, wie die Akteure des Projektes mit Fingerfarbe hantieren, sind anrührend: Wenn sich Menschen Farbe ins Gesicht streichen, dann ist das ein persönlicher Moment und hat zugleich etwas sehr Elementares. Behnush gewann innerhalb kurzer Zeit viele Menschen für das Projekt, darunter auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay, Fußballtrainer Mirko Slomka und die Modedesignerin Helene Galwas.

»Farbe gegen braun« hat Behnushs Arbeit über Monate hinweg dominiert, es waren genau die Monate ihrer zweiten Schwangerschaft. Und dieses Projekt hat ihrer Arbeit einen neuen Akzent gegeben: Sie ist aus einem privaten Ambiente stärker ins Licht der Öffentlichkeit getreten. Zugleich aber bündelt sie dort genau die Fähigkeiten, mit denen sie sich zuvor professionalisiert hat: die besonderen Momente von Menschen einzufangen und zu gestalten. Ach ja, dann war da noch die Sache mit der Zeitmaschine. Nein, sagt Behnush, anhalten kann sie die Zeit nicht, aber sie versucht, mit Hilfe von Bildern das Leben zu intensivieren.

 

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